8avel Colloqui retoromanistic, Curaglia/Val Medel,
8–11 zercladur 2022 / 8.–11. Juni 2022 / 8–11 giugno 2022

Das Rätoromanistische Kolloquium (Colloqui retoromanistic, CRR) ist eine internationale wissenschaftliche Tagung zu Sprach- und Literaturwissenschaft des «Rätoromanischen» in einem weiten Sinn. Sie widmet sich also dem Bündnerromanischen, Dolomitenladinischen und Friaulischen. Das Rätoromanistische Kolloquium findet in der Regel alle drei Jahre statt und wird turnusgemäss im Friaul, in den Dolomiten und in der Schweiz durchgeführt. Das Rätoromanistische Kolloquium vereint Forscherinnen und Forscher, die an verschiedenen Universitäten und Forschungsinstitutionen in ganz verschiedenen Bereichen der rätoromanistischen Sprach- und Literaturwissenschaft tätig sind. Es stärkt somit die internationale Vernetzung von Rätoromanistinnen und Rätoromanisten und ist das einzige disziplinspezifische Format zum Austausch über Frage- und Problemstellungen sowie über Forschungsprojekte und -resultate. Ein wichtiges Anliegen des CRR ist die Förderung junger Forscherinnen und junger Forscher - ihnen wird die Möglichkeit gegeben, mit der Scientific Community ihres Faches in Austausch zu treten und aktuelle Forschungsvorhaben vorzustellen und zu diskutieren.

Im Jahr 2022 findet das Rätoromanistische Kolloquium zum 8. Mal statt, nachdem es 2017 im Val Badia (Dolomiten) und 2014 in Cormons (Friaul) stattgefunden hat. Organisiert wird diese Ausgabe des Colloqui retoromanistic in einer Kooperation des Lehrstuhls für rätoromanische Literatur und Kultur der Universität Zürich (Prof. Dr. Rico Valär) und des Lehrstuhls für Rätoromanisch der Universität Freiburg/Schweiz (Prof. Dr. Matthias Grünert).

Das 8. Rätoromanistische Kolloquium wird vom 8. bis 11. Juni 2022 in Curaglia / Val Medel (Graubünden) im Tagungszentrum Medelina durchgeführt. Die Realisierung wird unterstützt durch den Schweizerischen Nationalfonds, den Kanton Graubünden, die Lia Rumantscha, die Region Surselva, die Gemeinde Medel, die Universität Freiburg/Schweiz und die Universität Zürich.

Fotografias

Program da la dieta / Programma del convegno / Tagungsprogramm

Mittwoch, 8. Juni – Anreise, Einchecken, gemeinsames Abendessen um 19.15 Uhr
Donnerstag, 9. Juni – 1. Kolloquiumstag

8.30

Ausstattung mit Material / Mappe

9.00

Begrüssung / Übersicht

9.30

1. Block: Sprachgeschichte

MA Elia Ackermann
Die Verdeutschung Unterrätiens und der Wert rätoromanischer Substrattoponyme: Stand der Forschung und Ausblick

Dr. Linda Steiner
Il progetto “Familiennamenatlas der Deutschschweiz”. Prospettive di ricerca per la Retoromania

Dr. des. Stefano Negrinelli
Uno studio sul decadimento lessicale in alcune varietà retoromanze

11.00

PAUSE

11.30

2. Block: Historischer Sprachkontakt

Dr. Gabriele Zanello
La tradizione discorsiva dell’omiletica in friulano: norme linguistiche in una fase di transizione

Prof. Dr. Paul Videsott
Das Staduto de laudabilae bachetae di Marebe. Eine (nord)italienische Übersetzung der „Enneberger Statuten“ von 1614

Dr. Michele Badilatti
Der französisch-surselvische Sprachkontakt in der Mauritiusreise (1765/66) von Gion Casper Collenberg

13.00

MITTAGESSEN

14.15

3. Block: Literatur

MA Rut Bernardi
Plädoyer für die zeitgenössische dolomitenladinische Literatur

MA Viola Cadruvi
Denkfiguren des Weiblichen: Die Konstruktion von Geschlecht in der rätoromanischen zeitgenössischen Literatur

Dr. Laura Decurtins
«Chantai rumantsch!» Davart la tschertga e l’imaginaziun d’in’identitad musicala rumantscha

15.45

PAUSE

16.00

4. Block: Soziolinguistik

MA Flurina Kaufmann-Henkel
Sprachbiografien junger Erwachsener aus Romanischbünden

Dr. Ruth Videsott
“Sce chësc é ciamó ladin...” Wieviel Sprachkontakt erträgt das Ladinische in den sozialen Medien?

Dr. William Cisilino
Il nuovo Piano generale di Politica linguistica per il friulano 2021-2025 della Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia

17.45

Kulturhistorische Führung durch das Dorf mit Peter Egloff

19.15

ABENDESSEN

Freitag, 10. Juni – 2. Kolloquiumstag

8.45

5. Block: Literatur / Soziolinguistik

Prof. Dr. Jan-Andrea Bernhard
Muntada dil cudisch romontsch per la scolaziun dil pievel cumin (1550–1800), en special per las dunnas

Dr. Renzo Caduff
Innovative Aspekte in der Prosa des surselvischen Schriftstellers Giachen M. Nay

Dr. Claudia Cathomas
Ju sa begia sche quai è romontsch: Zu den Herausforderungen in der Dokumentation und Analyse der Alltagskommunikation in romanischen Familien innerhalb und ausserhalb des Sprachgebiets

10.15

PAUSE

10.45

6. Block: Soziolinguistik

Dr. Luca Melchior
“Paesaggi friulani” – considerazioni sui linguistic landscapes in Friuli

MA Giuanna Caviezel
La visibilitad dal rumantsch en il spazi public. Tranter promoziun da la lingua e commerzialisaziun da l’autenticitad etnolinguistica

Dr. Renata Coray
Rätoromanisch und Behördenkommunikation während der Corona-Krise

12.15

MITTAGESSEN

13.30

7. Block: Erziehungswissenschaften / Digitalisierung

Dr. Jasmine Annette Dorigo
Sprachlehrmittel der ladinischen Schule seit 1948: ein Überblick

Prof. Dr. Hans Goebl
Vorstellung der neuen Netzversion (digitALD) des Sprachatlasses ALD

MA Jonas Grünke
Digitale Medien als linguistisches Korpus? Prädikative Adjektive und die Affrikaten /t͡ɕ/ ~ /t͡ʃ/ im Unterengadinischen

15.00

PAUSE

15.15

8. Block: Syntax

Prof. Dr. Rolshoven / Dr. Florentin Lutz
Syntax und Semantik des Bündnerromanischen. Innovationen für maschinelle Übersetzung

Prof. Dr. Georg A. Kaiser / Dr. Jan Casalicchio
Diachrone Stabilität und synchrone Variation der Verb-Zweit-Stellung in den rätoromanischen Sprachgebieten

Dr. Philipp Obrist
Differentielle Objektmarkierung im Engadinerromanischen: Neue Modelle, neue Daten, neue Einsichten

Dr. Atsushi Dohi
Fenomeni che si registrano solo nelle frasi principali: un approccio cross-linguistico

18.15

SAIRADA FESTIVA

Konzert mit Astrid Alexandre und Pascal Gamboni

Samstag, 11. Juni – 3. Kolloquiumstag

8.30

9. Block: Morphologie und Syntax

Prof. Dr. Sabine Heinemann
Morphologische Irregularität im Friaulischen

Prof. Dr. Giampaolo Salvi
L’accordo parziale nei sintagmi nominali femminili nel ladino cadorino

Prof. Dr. Leonardo Maria Savoia
Asimmetrie e interazioni nell’accordo di plurale in varietà retoromanze: -s, -i, -a

10.00

PAUSE

10.20

10. Block: Digitalisierung und historische Korpora

Dr. Ursin Lutz
Die Digitalisierung des DRG

Prof. Dr. Federico Vicario
La redazione del Dizionario del friulano antico

MA Andrin Büchler
Das Alemannische der Rätoroman*innen in Bern: lokale Netzwerke und langfristige Akkommodation

12.15

ENDE DER VERANSTALTUNG – APERO

Glista da las referentas e dals referents / Elenco delle relatrici e dei relatori / Liste der Vortragenden

Abstracts der Vorträge und Kurzbiographien (alphabetisch nach Teilnehmenden)

Ackermann, Elia, MA, Universität Zürich

Die Verdeutschung Unterrätiens und der Wert rätoromanischer Substrattoponyme: Stand der Forschung und Ausblick

Innerhalb des SNF-Projekts «Die Flurnamen des Kantons St. Gallen» (TopSG) an der Universität Zürich untersuche ich in meiner Dissertation das Verhalten dieser Toponyme nach dem Sprachwechsel. In der Präsentation selbst sollen der forschungsgeschichtliche status quo zum Alträtoromanischen und die Arbeitsweise anhand von Fallbeispielen dargelegt werden. Gerade im Hinblick auf die dialektale Ausprägung des Rätoromanischen der verdeutschten Gebiete bestehen derzeit noch verschiedene Ansichten, vgl. chronologisch Planta (1920; 1931), Zehrer (1949), Plangg (1964) oder Schmid (1976).

Aber auch Morphologie und Phonologie, bspw. Datierung und präzise Verortung von Lautwandeln, sowie Wortbildung und Lexikon sind noch nicht lückenlos geklärt. Dies alles in einer einzigen Untersuchung bereinigen zu wollen, wäre allerdings utopisch; jedoch können hoffentlich durch die diachron-linguistische Perspektive dem vielschichtigen Gesamtbild des heutigen Rätoromanischen weitere bedeutsame Mosaiksteinchen hinzugefügt werden.

Badilatti, Michele, Dr., Institut dal Dicziunari Rumantsch Grischun, Chur

Der französisch-surselvische Sprachkontakt in der Mauritiusreise (1765/66) von Gion Casper Collenberg

Dieser Vortrag knüpft an das am 7. Rätoromanistischen Kolloquium in San Martin de Tor gehaltene Referat an (cf. Badilatti 2017) und widmet sich dem französisch-surselvischen Sprachkontakt in Collenbergs Reisebericht Viadi en l’Isla de Fronscha. Der Referent präsentiert die wichtigsten Erkenntnisse seiner Untersuchung auf den verschiedenen sprachlichen Analyseebenen (lexikalisch, phonetisch/grafisch, morphologisch, syntaktisch) und illustriert die vielfältigen Sprachkontaktphänomene anhand anschaulicher Beispiele, die sowohl ausdrucksseitige Transfers (matter borrowing) als auch Übernahmen von Bedeutungen, Regeln und Strukturen (pattern borrowing) umfassen.

Bernardi, Rut, MA, Freie Universität Bozen

Plädoyer für die zeitgenössische dolomitenladinische Literatur

Die dolomitenladinische Literatur wird von außen entweder gar nicht wahrgenommen oder in ein Klischeebild von „heiler Welt“ gedrängt. Da es kaum literarische Übersetzungen aus dem Ladinischen in andere Sprachen gibt, ist es verständlich, dass sie oft als Exotikum oder interessantes bzw. nettes Phänomen gehandelt wird, wobei seriöse wissenschaftliche Literaturarbeit mit und in ladinischer Sprache oft mit Freizeitbeschäftigung verwechselt wird.

Mein Plädoyer für die zeitgenössische dolomitenladinische Literatur soll – auch mit einer Darbietung eigener ladinischer Sprachspiel-Texte – ein Ansporn sein, die Literatur vermehrt zu unterstützen und sie nicht mehr, wie bisher, stiefmütterlich zu behandelt. Es wäre höchst an der Zeit, der ladinischen Literatur den ihr gebührenden Platz als höchste ästhetische Stufe einer Sprachentwicklung einzuräumen… wenn das Ladinische nicht als “verlorenes Sprachspiel” enden soll.

Bernhard, Jan-Andrea, Prof. Dr., Universität Zürich

Muntada dil cudisch romontsch per la scolaziun dil pievel cumin (1550–1800), en special per las dunnas

Der Druck romanischer Bücher nimmt seinen Anfang in der Mitte des 16. Jahrhunderts, und zwar mit Katechismen und Bibeln. Ein wirklich nennenswerter Anstieg der romanischen Buchproduktion findet aber erst ab Mitte des 17. Jahrhunderts statt. Zwar wissen wir heute sehr genau, welche romanischen Bücher gedruckt worden sind, doch ist das bisherige Wissen über die Bedeutung dieser Bücher für die Bildung des gemeinen Volkes nur rudimentär. Seit 2012 wurden im Rahmen eines transnationalen Forschungsprojektes die Besitzeinträge historischer Buchbestände Bündens und des Veltlins systematisch untersucht und erfasst. Die Erkenntnisse daraus revidieren das bisherige Wissen fundamental und lassen erstmals wissenschaftlich erhärtete Aussagen über Lesefertigkeit und -interesse von Frauen im Gebiet der Drei Bünde (1550–1800) zu.

Büchler, Andrin, MA, Universität Bern

Das Alemannische der Rätoroman*innen in Bern: lokale Netzwerke und langfristige Akkommodation

Das vorliegende Forschungsprojekt beschäftigt sich mit inländischer Migration von Rätoroman*innen und deren sozialen und linguistischen Effekte. Sprecher*innen des Rätoromanischen erwerben i.d.R. in der Kindheit oder Jugend nebst Standarddeutsch eine dem Churerrheintalischen ähnliche Varietät des Alemannischen. Wenn sie im jungen Erwachsenenalter in die Deutschschweiz ziehen, treffen sie vermehrt auf Sprecher*innen anderer alemannischer Varietäten, was zu Dialektkontakt führt.

Die von Rätoroman*innen gesprochene L2-Varietät des Alemannischen ist bislang nur vereinzelt untersucht worden. Weiter liegen zurzeit nur wenige Arbeiten vor, die sich mobilen Personen angenommen haben und somit Akkommodationseffekte im Schweizerdeutschen beschrieben haben. Die vorliegende Arbeit setzt hier an, indem untersucht wird, welche linguistischen und sozialen Faktoren langfristige Akkommodationsprozesse in der L2-Varietät des Alemannischen von nach Bern migrierten Rätoroman*innen determinieren. Es soll gezeigt werden, dass das soziale Netzwerk und insbesondere die Frequenz des Kontakts zu deutschsprachigen Personen aus Bern entscheidend sind, um diese Akkommodationstendenzen zu erklären.

Hierfür wurden soziolinguistische Interviews mit 40 Personen (20 weiblich und 20 männlich) im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, die von Graubünden nach Bern gezogen sind, geführt. Das Korpus beinhaltet spontansprachliches Material sowie u.a. Angaben zu egozentrierten Netzwerken der Teilnehmer*innen. Die variationslinguistische Analyse basiert auf zwei Variablen, wortinitiales (k) (z.B. chönne) und wortfinales (-ə) (z.B. renne), für die im Churerrheintalischen typische Varianten existieren. Langfristige Akkommodation bedeutet, dass die Sprecher*innen diese typischen churerrheintalischen Varianten ablegen und in Richtung von Varianten konvergieren, die im Berndeutschen oder anderen mittelländischen Varietäten des Schweizerdeutschen verbreitet sind. Die Resultate zeigen, dass die Frequenz des Kontakts zu Personen aus Bern und/oder dem Mittelland, aber gleichzeitig auch zu Personen aus Graubünden, in der Tat ein entscheidender Faktor ist – wenn auch nicht der alleinige –, der mit dem Grad an Akkommodation korreliert.

Cadruvi, Viola, MA, Universität Zürich

Denkfiguren des Weiblichen: Die Konstruktion von Geschlecht in der rätoromanischen zeitgenössischen Literatur

Untersuchungen zur Konstruktion der Weiblichkeit sind in der rätoromanischen Literaturwissenschaft bisher eher eine Randerscheinung. Manchmal werden Aspekte davon im Zusammenhang mit von Autorinnen geschriebenen Werken erwähnt (des Übrigen auch ein eher wenig untersuchter Bereich der rätoromanischen Literatur), jedoch liegt keine spezifische, tiefergehende und vor allem werkübergreifende Untersuchung dazu vor. Das soll sich nun ändern.

Durch eine intertextuell vergleichende und diachrone Untersuchung soll nun in dieser Arbeit gezeigt werden, inwiefern bestimmte Perspektiven in der rätoromanischen Literatur vorherrschen, aber auch, welche Veränderungen diese Perspektiven durchlaufen und inwiefern bestimmte Werke diese Muster durchbrechen. Untersucht werden Prosatexte verschiedenster Gattungen von Autoren und Autorinnen (*1900 und jünger) mit einem Publikationsdatum nach 1945.

Der Untersuchung liegt das Modell der Denkfiguren zugrunde (ein bewegliches, theoretisches Konzept von Elisabeth Bronfen verwendet). Diese können je nach Werk eine eigene und andere Bildhaftigkeit entfalten. Die textuelle Verwendung der Denkfiguren und ihre unterschiedlichen Ausprägungen dienen der Untersuchung der Konstruktion von Weiblichkeit. Die Denkfiguren fungieren so als Analyseachse einer durch die untersuchten Texte geteilten Bildsprache.

Am Ende soll ein reflektiertes und vielfältiges Bild der Weiblichkeit in der rätoromanischen Literatur stehen. Die Arbeit soll über Bilder, Imaginationen und Zuschreibungen reflektieren, wobei die Wirkungsmächtigkeit dieser Imagination an davon abhängigen historischen Verschiebungen und Umdeutungen abgelesen werden.

Caduff, Renzo, Dr., Universität Freiburg/Schweiz

Innovative Aspekte in der Prosa des surselvischen Schriftstellers Giachen M. Nay

Giachen M. Nay (1860-1920) aus Trun war Arzt, Bauer, Autor und Politiker. Zu seiner Zeit gehörte er zu den wenigen Autoren, die nicht einen Pfarr- oder Lehrerberuf ausübten. Als Autor ist Nay insbesondere durch seine Prosaerzählungen bekannt geworden, deren bäuerliche, gesellschaftliche und sozialkritische Themen häufig inhaltliche Verbindungen zu seiner Biografie aufweisen. Als Nays wichtigste Erzählung ist La vacca pugniera (Die Heerkuh, 1902) zu nennen. Ausgehend von dieser Erzählung sollen im Vortrag innovative Züge seiner Prosa wie z. B. deren expressive, volksnahe Sprache oder originelle Erzählsituationen herausgearbeitet werden. Darin unterscheidet sich Nays Prosa nämlich von jener seiner surselvischen Vorgänger wie Alexander Balletta oder Gion Antoni Bühler. Neben der Beschreibung literarischer Neuerungen, die Nay zu einem Wegbereiter der surselvischen Prosa machen, soll seine Prosa auch im Kontext möglicher literarischer Modelle verortet werden.

Casalicchio, Jan → Kaiser, Georg A.
Cathomas, Claudia, Dr., Institut für Kulturforschung Graubünden ikg, Chur

Ju sa begia sche quai è romontsch: Zu den Herausforderungen in der Dokumentation und Analyse der Alltagskommunikation in romanischen Familien innerhalb und ausserhalb des Sprachgebiets

Die Verwendung und Weitergabe von Minderheitensprachen im Kreis der Familie ist für deren Bestehen von grosser Wichtigkeit, vor allem ausserhalb des Sprachgebiets. In rätoromanischen Familien ist die Alltagskommunikation oft von Einflüssen verschiedener Sprachen und Varietäten geprägt, weshalb ihre Dokumentation einen reichen Datenschatz für diverse linguistische Studien, z.B. zu Sprachkontakt- und Sprachwandelphänomenen oder zum Prozess des Spracherwerbs von Minderheitensprachen hervorbringt. Grosse aufbereitete Korpora der Alltagssprache stellen für die Rätoromanistik ein Novum dar. Die Erhebung und Aufbereitung solcher naturalistischen Daten ist jedoch mit verschiedenen Hürden verbunden. Neben den methodologischen Herausforderungen muss sich die Analyse auch mit verschiedenen theoretischen Aspekten auseinandersetzen, z.B. mit der Frage nach der richtigen Einordnung und der Bedeutung von unterschiedlichen Sprachkontaktphänomenen wie Code-Switching oder Anzeichen lexikalischer Erosion. Der Vortrag gibt einen kurzen Überblick zu den durchgeführten sowie zu geplanten Arbeiten in diesem Bereich.

Caviezel, Giuanna, MA, Universität Bern

La visibilitad dal rumantsch en il spazi public
Tranter promoziun da la lingua e commerzialisaziun da l’autenticitad etnolinguistica

Ils onns 2017 e 2018 han trais differents grossists a Glion e conturn introducì inscripziuns rumantschas – in nov fenomen che conceda al rumantsch dapli visibilitad en il spazi public. La promoziun d’ina lingua, la commodificaziun da quella e las persvasiuns ideologicas, sin las qualas quests process sa basan, èn colliadas ina cun l’autra en moda cumplexa. Ils differents acturs (iniziants ed implementaders) fan diever dal medem instrument, argumenteschan en moda sumeglianta, han però differentas finamiras. Malgrà ch’il rumantsch daventa en il context socio-economic perscrutà la lingua legitima, è la valur che vegn attribuida ad el d’in gener spiramain simbolic. Il rumantsch daventa ina resursa che vegn transfurmada en autras resursas materialas e simbolicas.

Cisilino, William, Dr., ARLeF – Agjenzie regjonâl pe lenghe furlane, Udine

Il nuovo Piano generale di Politica linguistica per il friulano 2021-2025 della Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia

La relazione ha l’obiettivo di descrivere il nuovo Piano generale di Politica linguistica per il friulano della Regione Autonoma Friuli-Venezia Giulia 2021-2025 (PGPL). Esso è uno strumento di program­mazione strategica sui temi dell’identità e della lingua friulana individuato dal capo V della L.R. 29/07 (artt. 25 e seguenti) al fine del perseguimento degli obiettivi della stessa legge. Scopo di un’azione di politica linguistica organica, sistematica e diversificata, attuabile anche in forma graduale per obiettivi intermedi, è non solo aumentare il corpus, ovvero l’elemento quantitativo che testimonia la presenza di una lingua nella società, ma anche lo status, ovvero la percezione che la società ha della lingua stessa. Pertanto i vari interventi programmati che verranno realizzati nel tempo dovranno puntare ad un duplice risultato: incrementare la presenza della lingua nei diversi contesti della società, ed elevare la percezione che la società ha nei suoi confronti. Tale politica, oltre ad implementare la necessaria messa in opera degli strumenti istituzionali previsti dalla normativa vigente, non può prescindere dall’esercitare contestualmente un intervento organico di impulso e sensibilizzazione delle realtà istituzionali locali affinché la lingua friulana trovi la sua normale espressione in ogni occasione sia ufficiale sia quotidiana.

Coray, Renata, Dr., Institut für Mehrsprachigkeit, Freiburg/Schweiz

Rätoromanisch und Behördenkommunikation während der Corona-Krise

Die Corona-Krise erfordert eine intensive Kommunikationsarbeit der Behörden. Diese hat in der Schweiz immer auch die Mehrsprachigkeit zu berücksichtigen. Gemäss Sprachengesetz sind die Bundesbehörden dazu angehalten, in den drei Amtssprachen Deutsch, Französisch und Italienisch zu kommunizieren, «Texte von besonderer Tragweite» (Art. 11 SpG) werden auch in Rätoromanisch veröffentlicht. Während einer Pandemie sollen die Informationen aber möglichst alle erreichen, weshalb nicht nur in den Landessprachen und Englisch, sondern auch in anderen Sprachen kommuniziert wird. Seit März 2020 sind zahlreiche Informationen und Dokumente (Faktenblätter, Flyer, Poster, Videos, Medienkonferenzen etc.) übersetzt worden. Punktuell sind auch Sprachen der Migrationsbevölkerung und die Gebärdensprache berücksichtigt worden.

In meinem Beitrag gehe ich den Fragen nach, welche Informationen in welchen Sprachen und in welcher Form bereitgestellt worden sind, für wen und mit welchen Absichten. Im Fokus stehen folglich soziolinguistische Aspekte des Übersetzungsprozesses, mit besonderem Augenmerk auf das Rätoromanische. Die Analyse von Übersetzungs- und Adaptionsprozessen als soziale Prozesse können Hinweise geben auf Vorstellungen zur Notwendigkeit und Wünschbarkeit von Übersetzungen, auf Vorstellungen zu den Zielgruppen und auf die mit Übersetzungen verknüpften Interessen und Überzeugungen. Mein Beitrag basiert auf Daten aus einem laufenden Forschungsprojekt zu «Mehrsprachigkeit in einer Gesundheitskrisensituation» am Wissenschaftlichen Kompetenzzentrum für Mehrsprachigkeit (Freiburg/CH), insbesondere auf der Analyse der online bereitgestellten Behördeninformationen zu COVID-19 sowie auf Experteninterviews mit Fachleuten aus der Bundesverwaltung.

Decurtins, Laura, Dr., Institut für Kulturforschung Graubünden ikg, Chur

«Chantai rumantsch!» Davart la tschertga e l’imaginaziun d’ina identitad musicala rumantscha

La musica (vocala) rumantscha è per ils Rumantschs e las Rumantschas in mument impurtant d’identificaziun culturala: sco lingua chantada transporta la musica vocala al medem mument l’identitad linguistica sco era il context cultural, social ed istoric da la Rumantschia. La pitga principala da la musica rumantscha furman las chanzuns (sacralas e profanas) or dals differents geners da la musica tradiziunala, populara e classica – ed oravant tut mintga furma da chant collectiv che sa basa sin las tradiziuns culturalas da la Rumantschia. Grazia a questa impurtanza e funcziun dal chant rumantsch sco «expressiun da l’olma rumantscha» han ils divers moviments culturals, naziunals e confessiunals sur ils tschientaners pudì lavurar vi d’ina unitad ed identitad rumantscha, ed uschia han els viceversa furmà l’essenza da la musica rumantscha persistenta­main. L’appel «chantai rumantsch!» stat pia per l’identitad musicala rumantscha sco era per la tschertga e l’imaginaziun cuntinuanta d’ina tala. Cuntrari a quai ha la musica en la perscrutaziun da la lingua e cultura rumantscha la plipart dal temp giugà ina rolla marginala. Ma era la musicologia n’è betg s’occupada pli profundamain cun las furmas e l’istorgia da la musica ru­mantscha – danor cun ses aspect folcloristic. In discurs scientific davart l’interacziun da musica ed identitad rumantscha manca perfin fin ozendi.

Dohi, Atsushi, Dr., Università degli Studi di Firenze

Fenomeni che si registrano solo nelle frasi principali: un approccio cross-linguistico

Nel lavoro ci si propone di esaminare alcuni fenomeni del ladino dolomitico che subiscono restrizioni nelle frasi secondarie, i quali vengono chiamati main clause phenomena (MCP). Ne sono un tipico esempio le particelle modali, che non possono apparire in tutti i contesti subordinativi.

È possibile trovare elementi con restrizioni distribuzionali ancora più severe in alcune varietà ladine dolomitiche. Un esempio è rappresentato dall’obbligatorietà dell’inserimento della particella pa nelle frasi interrogative principali di alcune varietà dialettali, a cui corrisponde il totale divieto in quelle secondarie. Questi fenomeni non possono apparire nei contesti subordinativi che ammet­tono i tipici MCP e perciò vengono chiamati genuine main clause phenomena. Nel contributo pertanto si descrivono le differenze sintattiche tra i due tipi di MCP nel ladino dolomitico. In particolare, la particella interrogativa pa viene messa a confronto con le varie particelle discorsive che appaiono nelle varietà ladine. Inoltre si cerca di dare una spiegazione ai fenomeni in questione adottando l’analisi per distribuzioni simili che si trovano in giapponese. L’ipotesi presuppone una struttura sintattica sopra la frase principale che “autorizza” (license) certi elementi.

Dorigo, Jasmine Annette, Dr., Freie Universität Bozen

Sprachlehrmittel der ladinischen Schule seit 1948: ein Überblick

Der Vortrag beruht auf meiner jüngst an der Universität Freiburg angenommenen Dissertation. Diese befasst sich mit einigen besonders repräsentativen, historischen und aktuellen Lehr- und Lernmitteln der ladinischen Grundschulen Südtirols und analysiert diese aus thematisch-inhaltlicher, pädagogisch-didaktischer und ästhetischer Sicht, vertieft aber im besonderen Maß die Sprach(en)didaktik. Eine wesentliche Rolle spielen dabei die Alphabetisierung, die Lektüre und die Grammatik.

Die Medienanalysen erlauben es, die Veränderung der ladinischen Schule, vor allem im sprach(en)didaktischen Bereich, zwischen 1948 (als die ersten ladinischen Schulbücher erschienen) und der Gegenwart zu rekonstruieren. Die historischen Unterrichtsmedien sind insbesondere wegen der Präsenz des Ladinischen von sprach(en)didaktischer Relevanz, denn seine Verwendung als Alphabetisierungs- und Schulsprache stellte damals etwas Außerordentliches dar. Die neu publizierten Lehr- und Lernmittel erweisen sich hingegen dank ihrer Mehrsprachigkeit und des strukturieren Miteinanders von Sprachen als innovativ.

Goebl, Hans, Prof. Dr., Universität Salzburg

Vorstellung der digitalen Version (digitALD) des Sprachatlasses ALD

Vorgeschichte: im Jahr 2012 wurden parallel zur Publikation des zweiten Teiles des ALD (ALD-II) einige Programme ins Netz gestellt, die als digitales Komplement zu den beiden Teilen des Druckversion des ALD gedacht waren: sie erlaubten a) die gezielte Suche in den Gesamtdaten (= Transkriptionen) des ALD und b) die punktgenaue Abhörung aller in den Jahren 1985-1992 (zum ALD-I) und 2000-2007 (zum ALD-II) bei den Feldenquêten von uns durchgeführten Tonaufnahmen.

Diese beiden Programme funktionierten – wegen des Ausbleibens einer konstanten und sachgerechten IT-Pflege – reibungslos nur relativ kurze Zeit und verstummten hintereinander bereits im Zeitraum 2016 bis 2018.

Mit der Unterstützung des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF konnte dieser Ausfall zwischen Oktober 2020 und 2021, also in nur 12 Monaten, kompensiert werden. Und zwar durch den fulminanten Einsatz zweier Münchner IT-Spezialisten (David und Tobias Englmeier), die innert 12 Monaten ein neues Programm – eben den digitALD – auf die Beine stellten, das neben den zwei schon erwähnten Funktionen auch die Möglichkeit bietet, die insgesamt 1 950 Sprachkarten des gesamten ALD in ihrer gedruckten Gestalt in sehr variabler Weise (zwischen Zoom und Totalansicht) zu betrachten.

In der Video-Intervention werden all jene Benützungsschritte vorgeführt, die im Rahmen von drei thematisch verschieden ausgerichteten Konsultationen des digitALD erforderlich sind.

Der Link zum digitALD: https://www.ald.gwi.uni-muenchen.de/?db=ald1

Grünke, Jonas, MA, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Digitale Medien als linguistisches Korpus? Prädikative Adjektive und die Affrikaten /t͡ɕ/ ~ /t͡ʃ/ im Unterengadinischen

Die aktuelle sprachwissenschaftliche Forschungslage zum Bündnerromanischen darf getrost als prekär bezeichnet werden. Dies ist gewiss auch darauf zurückzuführen, dass linguistisch aufbereitete digitale Quellen nahezu gänzlich fehlen (cf. jedoch Stark, Ueberwasser & Ruef 2009–2015). Ziel des Beitrages ist es vor diesem Hintergrund zu klären, ob und wie aktuelle digitale bündnerromanische Medien (Fernsehen, Rundfunk, Tagespresse, E-Books etc.) gewinnbringend in der linguistischen Forschung eingesetzt werden können.

Nach einer kurzen Bestandsaufnahme der online verfügbaren bündnerromanischen Medienprodukte wird anhand zweier sprachlicher Phänomene der Versuch ebenjener Klärung in Pilotstudien exemplarisch für das Unterengadinische (Vallader) vorgenommen. Zum einen wird anhand von 254 Belegen aus La Quotidana untersucht, inwiefern sich ein im mündlichen Gebrauch zumindest sporadisch belegbares Ausbleiben der Genus-/Numeruskongruenz von Adjektiven in prädikativer Stellung auch in Printmedien dokumentieren bzw. nachvollziehen lässt. Zum anderen wird mittels 129 Belegen von 7 Sprechern aus Radio- und Fernsehbeiträgen (RTR) überprüft, ob Radio- und Fernsehproduktionen eine Untersuchung des labilen Status Quo der phonologischen Affrikatenopposition /t͡ɕ/ vs. /t͡ʃ/ ermöglichen (cf. Schmid 2010; Schmid & Negrinelli 2018). Aufbauend auf den Ergebnissen der empirischen Analysen gilt unser besonderes Augenmerk in der Folge der Besprechung von Vor- und Nachteilen der verfügbaren Quellen: Zwar sind beide untersuchten Phänomene bei derzeitiger Quellenlage grundsätzlich dokumentierbar, gesicherte Aussagen sind jedoch nur eingeschränkt und/oder unter disproportionalem Aufwand möglich. Diese Feststellung veranlasst uns zur Formulierung eines dringenden Appells zur umfassenden digitalen Sprachdokumentation aller bündnerromanischen Idiome gleichermassen in schriftlicher wie auch in mündlicher Form.

Heinemann, Sabine, Prof. Dr., Universität Graz

Morphologische Irregularität im Friaulischen

Normalerweise werden Verben, die lautwandelbedingt Stammallomorphie zeigen, im Laufe der Zeit durch intraparadigmatische Analogie regelmäßiger. Es gibt allerdings durchaus auch Verben, wie z.B. Hilfsverben, Modalverben oder grundlegende Verben der Bewegung, die unregelmäßig bleiben oder durch Differentialanalogien noch unregelmäßiger werde, offensichtlich aufgrund ihrer extrem hohen Tokenfrequenz. Insbesondere Studien zu germanischen Sprachen zeigen, dass Unregelmäßigkeit oft mit einer Entwicklung korreliert, die zu einer klaren(er) Unterscheidung einzelner Formen innerhalb eines Paradigmas führt. Der Beitrag untersucht die Anwendbarkeit des von Bybee (1985) entwickelten Konzepts der Relevanz, die Bedeutung der Tokenhäufigkeit und anderer Faktoren, die in gebrauchsbasierten Untersuchungen diskutiert werden. Im Vordergrund sollen hier insbesondere friaulische Verben wie (it. andare), stâ (it. stare), vignî (it. venire) oder auch Modalverben stehen.

Kaiser, Georg A., Prof. Dr., Universität Konstanz / Casalicchio, Jan, Dr., Università degli Studi di Palermo

Diachrone Stabilität und synchrone Variation der Verb-Zweit-Stellung in den rätoromanischen Sprachgebieten

Das Rätoromanische ist im Vergleich zu den anderen romanischen Sprachen durch einige morphosyntaktische Besonderheiten gekennzeichnet, die in den verschiedenen Varietäten unterschiedlich ausgeprägt sind. Eine dieser Besonderheiten ist die Stellung des finiten Verbs, die im Bündnerromanischen durch eine weitgehend ‚strikte’ und in den nördlichen Varietäten des Dolomitenladinischen durch eine eher ‚gelockerte’ Verb-Zweit-Stellung gekennzeichnet ist, während in den südlichen dolomitenladinischen Varietäten sowie im Friaulischen lediglich eine ‚residuale’ Verb-Zweit-Stellung zu beobachten ist, wie sie auch in anderen romanischen Sprachen vorkommt. Im Rahmen dieser Präsentation soll der Versuch einer detaillierten synchronen und diachronen Bestandsaufnahme über diese Unterschiede vorgestellt werden. Als Grundlage hierfür dient ein umfangreiches Paralleltextkorpus, das aus alten und modernen Bibelübersetzungen in den betreffenden Varietäten besteht und somit die ältesten vergleichbaren Dokumente dieser Varietäten umfasst. Dabei werden wir zeigen, dass das Verb-Zweit-Phänomen einerseits sich als diachronisch sehr stabil erweist und andererseits aber in modernen Varietäten durch eine Mikrovariation gekennzeichnet ist, die teilweise stark von den jeweiligen Kontaktsprachen bzw. Kontaktvarietäten abhängig ist.

Kaufmann-Henkel, Flurina, MA, Pädagogische Hochschule Graubünden PHGR / Universität Freiburg/Schweiz

Sprachbiografien junger Erwachsener aus Romanischbünden

Im Rahmen des SNF-Projekts Passaggi linguistici: maiorens al spartavias untersuche ich in meiner Dissertation Sprachbiographien mehrsprachiger junger Erwachsener aus Romanischbünden. Anhand sozialer Positionierungen und Spracheinstellungen gehe ich der Frage nach, wie die jungen Erwachsenen ihre (Mehr-)Sprachigkeit erleben und welche Bedeutung sie dabei dem Rätoromanischen zuschreiben.

Mittels autobiographisch-narrativer Interviews sowie Sprachenportraits wurden 21 Personen im Alter zwischen 19 und 22 Jahren aus den fünf Sprachregionen Romanischbündens zu ihrem Spracherleben befragt, wobei alle Interviewten einen Bezug zu Mehrsprachigkeit aufwiesen, sei dies, weil sie aus einer gemischtsprachigen Familie kommen oder weil sie durch die Umgebungssprache(n) im Laufe ihres Lebens mehrsprachig wurden.

Die Analyse der Sprachbiographien folgte einem qualitativ-rekonstruktiven Forschungsverständnis, wobei der Fokus auf den subjektiven Sinnkonstruktionen der Erzähler*innen lag. Nach einer umfassenden Analyse aller Interviews wurden acht Fälle ausgewählt. Pro Erzählung wurden Sequenzen analysiert und durch ein abduktiv angelegtes Verfahren relevante Erzähllinien nachgezeichnet. Ausserdem wurde aufgrund der im Gespräch eingenommenen sozialen Positionierungen und geäusserten Spracheinstellungen die narrative Identität der Erzähler*innen (re)konstruiert.

Im Vortrag werden zwei dieser acht Fälle vorgestellt. Ich zeige auf, wie sich diese zwei Personen in Bezug auf ihre (Mehr-)Sprachigkeit positionieren und welche Einstellungen sie zum Rätoromanischen äussern. Ein Vergleich der beiden Fälle soll deutlich machen, wie institutionelle Übergänge das Spracherleben dieser beiden Personen geprägt haben und wie sich die Bedeutung des Rätoromanischen im Laufe ihres Lebens veränderte.

Lutz, Florentin → Rolshoven, Jürgen
Lutz, Ursin, Dr., Institut dal Dicziunari Rumantsch Grischun, Chur

Die Digitalisierung des DRG

Ina survesta davart il project da digitalisaziun dil Dicziunari Rumantsch Grischun (2015–2018, http://online.drg.ch/) cun sias premissas e sias sfidas. Tgei ponderaziuns ein vegnidas fatgas el decuors dil project? Tgei sligiaziuns han menau al resultat giavischau?

Plinavon duei la contribuziun dar in’investa el futur dil DRG-online: Tgei ei planisau pil futur? Tgei ei aunc tut pusseivel cull’infrastructura disponibla?

Melchior, Luca, Dr., Alpen-Adria-Universität Klagenfurt/Celovec

“Paesaggi friulani” – considerazioni sui linguistic landscapes in Friuli

Se il friulano era certo presente nella segnaletica locale di diversi paesi della regione già prima delle leggi di tutela del 1996 e 2001, una delle prime e più evidenti misure di politica linguistica attuate in seguito alla tutela dello stesso è stata quella di conquistare lo spazio pubblico tramite misure top-down. Tra queste sono da segnalare, oltre a quelle riguardanti i cartelli stradali o le insegne negli ospedali, campagne pubblicitarie volte ad aumentare la visibilità della lingua (si pensi per esempio alla campagna furlan=mieç di comunicazion al cuadrât realizzata nel 2007) e iniziative che volgevano a coinvolgere anche il mondo dell’economia privata (si pensi agli adesivi “tirait” e “sburtait” distribuiti a commercianti ed esercenti affinché li affiggessero sulle porte dei propri esercizi, e in anni più recenti l’iniziativa FÛRXFUR, servizio di consulenza linguistica al fine di aumentare la presenza del friulano scritto in manifestazioni culturali, enogastronomiche e turistiche della regione). Accrescendone la visibilità pubblica, tali misure mirano ad accrescere lo status del friulano. In che misura però a tali misure si affiancano anche iniziative bottom-up e come si presenta il paesaggio linguistico in regione a vent’anni dall’approvazione della 482? Nel mio intervento presenterò alcune considerazioni sul linguistic landscape regionale e sulla funzione del friulano nello stesso.

Negrinelli, Stefano, Dr. des., Universität Zürich

Uno studio sul decadimento lessicale in alcune varietà retoromanze

Lo studio proposto ha lo scopo di indagare l’evoluzione di alcuni sistemi linguistici retoromanzi sfruttando l’ampia mole di dati linguistici raccolti tra il settembre del 2016 e l’agosto del 2019 in 18 località grigionesi per l’aggiornamento dell’AIS (Atlante linguistico ed etnografico dell’Italia e della Svizzera meridionale). Nello specifico la relazione verterà sul confronto tra i sistemi linguistici attestati circa 100 anni fa e quelli odierni, con particolare riguardo per un aspetto ancora poco considerato dalla lessicografia retoromanza: il decadimento lessicale.

Grazie all’assegnazione di un punteggio alle risposte dei parlanti è stato infatti possibile analizzare i diversi sistemi linguistici sia sul piano quantitativo, da un lato, sia su quello qualitativo, dall’altro. In tal modo si è potuto esaminare se vi siano delle tendenze comuni a tutte le varietà oppure se il decadimento del lessico risponda a delle differenze regionali e idiomatiche, o ancora se siano riconoscibili dei gruppi semantici più propensi al mutamento e, se sì, per quali motivi. Non da ultimo l’intervento problematizza anche la metodologia d’analisi utilizzata, testandone l’effettiva validità.

Obrist, Philipp, Dr., Universität Zürich

Differentielle Objektmarkierung im Engadinerromanischen: Neue Modelle, neue Daten, neue Einsichten

Der sogenannte präpositionale Akkusativ gehört zu den auffälligsten morphosyntaktischen Eigenheiten der Engadiner Varietäten des Romanischen. Seit den letzten substantiellen Beiträgen zu seiner Erforschung durch Gerhard Rohlfs, Eugeen Roegiest und Helmut Stimm in den siebziger und achtziger Jahren haben sich die Prämissen, unter welchen er untersucht wird, wesentlich verändert: Einerseits analysiert man das Phänomen im Nachgang zu Georg Bossongs typologischen Arbeiten heute als Differentielle Objektmarkierung (DOM), welche über die romanischen Sprachen hinaus in verschiedenen Sprachfamilien auftritt und universellen Parametern folgt. Andererseits haben sich durch die Digitalisierung und die "kognitive Wende" der Sprachwissenschaft neue Methoden zu seiner Erforschung aufgetan. In dieser Linie situiert sich unser Zürcher SNF-Forschungsprojekt, welche zum Ziel hat, Status und Tendenzen der DOM in Puter und Vallader mittels Akzeptabilitäts- und Elizitationsexperimenten mit Muttersprachlern zu bestimmen und mit den DOM-Systemen anderer romanischer Sprachen zu vergleichen. Im Rahmen des Kolloquiums werden wir die Resultate zweiter Versuchsreihen im Ober- und Unterengadin vorstellen.

Rolshoven, Jürgen, Prof. Dr., Universität zu Köln / Lutz, Florentin, Dr., Bern

Syntax und Semantik des Bündnerromanischen. Innovationen für Maschinelle Übersetzung

Die sprachwissenschaftliche Beschreibung von Kleinsprachen trägt dazu bei, die Möglichkeiten sprachlicher Systeme auf erweiterter empirischer Basis zu erkunden. Kleinsprachen profitieren aber nicht allein von sprachwissenschaftlicher Beschreibung, sondern – als Seiteneffekt wohlfundierter Theorien – durch Anwendungen, z.B. maschinelle Übersetzung.

Allerdings stößt eine ganzheitliche Beschreibung von Sprachen – vor allem von Kleinsprachen – auf praktische Hindernisse. Die Beschreibungen von sprachlichen Einzelphänomenen lassen sich bei fehlender inhaltlicher und terminologischer Konsistenz nicht zu einer Gesamtheit aufsummieren. Auch gibt es bei Kleinsprachen zu wenige ausgewiesene Spezialisten, die abgestimmte Beschreibungen liefern können.

Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, linguistische Beschreibungen für Syntax und Semantik durch dynamische Verfahren maschinellen Lernens zu erzeugen. Die hier vorgestellten Verfahren spiegeln die Kompetenz von Sprechern in mehrfacher Weise wider; zum einen in der Fähigkeit, Sprache zu lernen, zum anderen, auch unvollständige und fehlerhafte Äußerungen syntaktisch und semantisch zu interpretieren.

Die Verfahren maschinellen Lernens erzeugen vollsymbolische Repräsentationen. Sie unterscheiden sich damit von pragmatisch erfolgreichen Systemen (s. DeepL oder TextShuttle der Zürcher Gruppe um Martin Voalk), in deren neuronalen Netzen linguistisches Wissen subsymbolisch verborgen bleibt. Nur symbolische Repräsentationen sind – im Sinne Karl Poppers – falsifizierbar und wissenschaftlich valide.

Der vorliegende Beitrag modelliert sprachliche Daten aus dem Rumantsch Grischun.

Salvi, Giampaolo, Prof. Dr., Università Eötvös Loránd, Budapest

L’accordo parziale nei sintagmi nominali femminili nel ladino cadorino

In alcune varietà del ladino centrale nei sintagmi nominali femminili l’accordo per genere avviene in maniera regolare, ma l’accordo per numero è solo parziale e il morfema del plurale compare solo su una parte degli elementi accordabili. Il fenomeno è presente in forme diverse in gardenese, in alto fassano e nel cadorino della Valle del Boite.

In genere il morfema del plurale non compare sugli elementi che precedono il nome e, se il nome è seguito da un aggettivo, può mancare anche dal nome. Questa è la situazione in alto fassano e nelle varietà cadorine: in ampezzano per es. il plurale di ra foia fresca (la foglia fresca) può essere sia ra foies fresches (la foglie fresche = ‘le foglie fresche’) sia ra foia fresches (la foglia fresche = ‘le foglie fresche’). Non tutti i sintagmi nominali ammettono le due soluzioni e, quando ambedue sono ammesse, il significato non sembra essere lo stesso.

Il contributo si propone di offrire una sistematizzazione dei dati delle diverse varietà cadorine interessate dal fenomeno (ampezzano, dialetti dell’Oltrechiusa [San Vito, Borca e Vodo] e di Cibiana) e di presentare una ipotesi esplicativa.

Savoia, Leonardo Maria, Prof. Dr., Università degli Studi di Firenze

Asimmetrie e interazioni nell’accordo di plurale in varietà retoromanze: -s, -i, -a

La relazione proposta analizza la flessione e l’accordo di plurale in un sottoinsieme di varietà retoromanze nelle quali coesistono sia la marca di plurale –s sia -i/-e, e –s ha una distribuzione ristretta in base al contesto e alla classe nominale. Si tratta di un fenomeno morfosintattico che emerge nel friulano e nel ladino del Cadore, ma anche in maniera limitata nel romancio. Questa relazione descrive e analizza l’interazione tra la flessione sigmatica del plurale nei sintagmi nominali con la flessione di classe nominale -a e con il plurale in -i. Noi argomentiamo che: (i) –a è compatibile con la lettura di plurale per le sue proprietà interpretative; (ii) che le asimmetrie tra nomi e determinanti o clitici rispecchiano le proprietà referenziali di questi ultimi elementi, che richiedono una flessione specializzata di plurale, nella fattispecie, -i.

Steiner, Linda, Dr., Universität Zürich

Il progetto “Familiennamenatlas der Deutschschweiz”. Prospettive di ricerca per la Retoromania

Il 1° febbraio 2022 ha preso il via il progetto antroponomastico «Atlante dei cognomi della Svizzera tedesca. Con uno sguardo sulle regioni linguistiche romanze». L'obiettivo principale dell’Atlante – diretto da Luise Kempf e con sede presso l’Istituto di germanistica dell’Università di Berna – è l’analisi sistematica dell’inventario dei cognomi svizzeri nonché la pubblicazione digitale in modalità open access di un complesso di mappe linguistiche e storico-culturali. Sebbene la ricerca sia focalizzata innanzitutto sui cognomi svizzero-tedeschi, ampio spazio sarà dedicato alle regioni romanze della Svizzera. La situazione di plurilinguismo che contraddistingue il nostro paese e che pure si riflette nel sistema cognominale consente da una parte l’analisi contrastiva di determinati aspetti grammaticali, dall’altra un’indagine sui fenomeni di contatto e di interferenza – si pensi, ad esempio, ai cognomi retoromanci tedeschizzati. L’intervento si propone di presentare le prospettive di ricerca che il progetto dell’Atlante offrirà alla romanistica in generale e alla retoromanistica in particolare.

Vicario, Federico, Prof. Dr., Università degli Studi di Udine

La redazione del Dizionario del friulano antico

Cospicui e di grande interesse sono i manoscritti in volgare friulano tra XIV e XV secolo, manoscritti che hanno attirato l’attenzione di studiosi e ricercatori locali già dalla metà dell’Ottocento. Si tratta di testi per lo più di uso pratico, che permettono, nel loro complesso, di affrontare con una certa sicurezza la descrizione del lessico, dell’onomastica e delle strutture del friulano delle origini. Un vasto programma di ricognizione degli archivi della regione condotto a partire dagli anni Novanta, in particolare per le località di Cividale del Friuli, Gemona del Friuli, Udine, Tricesimo e Venzone, ha portato alla segnalazione e alla successiva pubblicazione di un numero davvero considerevole di questi materiali.

Con l’avvio del progetto del Dizionario storico friulano (www.dizionariofriulano.it), curato dallo scrivente con il sostegno dell’Università di Udine e di altri enti regionali, l’insieme di questi testi sono andati a formare un corpus omogeneo di un certo rilievo, un corpus che, per altro, costantemente accoglie nuovi elementi. Dopo la pubblicazione di due glossari di medie dimensioni, comprendenti principalmente fonti udinesi e cividalesi, si presenta, in questa comunicazione, il programma di redazione del Dizionario del friulano antico, opera che si propone di colmare, in prospettiva, una lacuna importante nel quadro, pur ricco, della nostra disciplina. Dopo la rassegna della bibliografia e delle fonti disponibili, tra edite e inedite, si proporrà pertanto un modello di organizzazione delle singole voci, chiudendo con una previsione dei tempi necessari a terminare il lavoro.

Videsott, Paul, Prof. Dr., Freie Universität Bozen

Das Staduto de laudabilae bachetae di Marebe. Eine (nord)italienische Übersetzung der „Enneberger Statuten“ von 1614

Romanische Texte, die ins frühe 17. Jahrhundert zurückreichen, sind in Gröden und im Gadertal relativ rar gesät, weil sich die Verwaltung in diesen beiden Tälern bevorzugt des Deutschen bediente. Die wenigen Beispiele verdienen deswegen besondere Beachtung: einerseits, weil sie Rückschlüsse auf den Grad der damaligen Mehrsprachigkeit erlauben; andererseits, weil ihre sprachliche Form zuweilen von einem Code-Mixing gekennzeichnet ist, der sich darin äußert, dass die formelhaften Teile der Texte (nord)italienisch, die spezifisch inhaltlichen Teile hingegen stark von (insbesondere lexikalischen) Ladinismen durchsetzt sind. Ein solcher Text, die 1614 durch den damaligen Enneberger Gerichtsschreiber Caspar Alfarei besorgte Übersetzung der um 1566 auf Deutsch kodifizierten Statuten des Gerichtes Enneberg, soll in unserem Vortrag vorgestellt und analysiert werden.

Videsott, Ruth, Dr., Freie Universität Bozen

“Sce chësc é ciamó ladin...” Wieviel Sprachkontakt erträgt das Ladinische in den sozialen Medien?

Im folgenden Beitrag geht es um Sprachkontaktphänomene im Gadertalischen, Grödnerischen und Fassanischen in den sozialen Medien. Mehrsprachigkeit ist generell ein markantes Merkmal des Sprachgebrauchs in den sozialen Netzwerken (cf. u.a. Fiorentino 2005, Berruto 2006 zum Italienischen). Umso häufiger sind Sprachkontaktphänomene im Ladinischen zu beobachten, zumal der direkte Kontakt zur deutschen und italienischen Sprache regelmäßig und in vielen Kontexten stattfindet. Ausgehend von einem Korpus von Facebook- und WhatsApp-Nachrichten in den Idiomen Gadertalisch, Grödnerisch und Fassanisch, sollen insbesondere Fälle von Code-Mixing und Code-Switching untersucht werden. Auf der Ebene der Sprachforschung kann man für Sprachminderheiten generell drei Szenarien von Sprachkontakt erwarten: i) Wenig bis kein Sprachkontakt (Dal Negro 2005); ii) Fälle von intraphrasalem Code-Switching (Auer 1984); iii) Fälle von interphrasalem Code-Switching (Auer 1999). In erster Linie werden daher diese Phänomene in unserem Korpus eruiert und beschrieben. Des weiteren wird der Frage nachgegangen, inwiefern diese Fälle von Sprachkontakt von der Sprachgemeinschaft akzeptiert oder abgelehnt werden. Auf der Basis von Interviews soll geklärt werden, ob diese Phänomene als Mangel an Sprachkenntnis, als bewusste oder unbewusste Normabweichung oder als spielerischer Umgang mit Sprache aufgenommen werden.

Zanello, Gabriele, Dr., Università degli Studi di Udine

La tradizione discorsiva dell’omiletica in friulano: norme linguistiche in una fase di transizione

Il contributo che si presenta al Colloquium retoromanistich del 2020 intende applicare il metodo analitico della Diskurstradition per interpretare tanto le norme discorsive quanto quelle linguistiche (e, contestualmente, le tracce e gli orientamenti di formularità e conservatività) all’interno di un ristretto numero di omelie friulane sette-ottocentesche, collocandone la lingua su un continuum che si suppone almeno bipolare (friulano, italiano regionale), ma che in alcuni casi può essere considerato tripolare (friulano locale, friulano “demunicipalizzato” o in via di standardizzazione, italiano regionale), o addirittura quadripolare (se si tiene conto della massiccia e prevedibile influenza del latino ecclesiastico). L’intervento prende in analisi alcuni testi omiletici di diversa epoca e provenienza (naturalmente entro l’ambito linguistico e cronologico indicato), per coglierne i tratti caratterizzanti e le tendenze sul piano fonografemico, lessicale, morfosintattico, testuale e tipologico. Si tratta, infatti, di testi redatti da ecclesiastici di diversa provenienza geografica, sociale e culturale, e dunque spesso assai difformi, specialmente in una fase in cui la diffusione sempre più ampia della lingua italiana si accompagnava a un processo di consolidamento del friulano centrale quale varietà di largo uso e codice sovralocale. Per il risvolto fonografemico, invece, offrono risultati di sicuro interesse i testi redatti da autori di madrelingua slovena (nell’ambito della diocesi di Goriza), quindi con source language diverso da quello dei preti di provenienza friulana.